Warum Systemische Traumatherapie?


Trauma geht jeden was an. Trauma ist nicht nur Problem eines einzelnen oder ein Familienproblem - es ist ein gesellschaftliches Problem. Und was viele nicht wissen, ist, dass sie selber Betroffen sind. Aus diesem Grund, werde ich hier die Ursachen und Folgen etwas genauer darstellen.

Doch was ist Trauma überhaupt? Trauma ist "Not ohne Lösung". Es ist nicht bewältigter Stress und erstmal rein körperlich. Es die Folge von überwältigenden, als lebensbedrohlich erlebten Erfahrungen, die die natürlichen Bewältigungsstrategien des Organismus überfordern. Der Organismus kann sich im Anschluss nicht mehr selbst regulieren und ein Teil von ihm bleibt in der stressigen Erfahrung „stecken“.


Frühe Verletzungen mit Selbstentfremdung


Frühe Verletzungen und wiederholender Stress in der Kindheit haben sehr spezifische Auswirkungen auf unser Verhalten und Lebensgefühl im späteren Leben. Man spricht hier von Entwicklungstraumata wozu auch Bindungsstörungen gehören. Sie haben prägenden Einfluss auf Gehirn- und Persönlichkeitsentwicklung (Verzerrtes Selbst-/ Fremdbild, Wahrnehmung) und sind oft die Ursache von Beziehungsproblemen und zahlreichen (Trauma-)Folgestörungen.

Die 7 größten psychologischen Wunden aus der Kindheit und seine Folgen 

  1. Erziehung und Kontrolle durch ein "falsches Selbst" der Bezugsperson
  2. Exzessive, toxische Gefühle von Scham, Schuld und Angst - in der Folge:
  3. Verzerrung der Realität 
  4. Probleme mit Vertrauen (zu viel oder zu wenig) 
  5. Probleme mit der Selbstregulation (lernen wir i.d.R. in den ersten 3 Lj.)
  6. Unfähigkeit zu nährenden, stabilen Beziehungen
  7. Selbstverleugnung und Verlust an Selbstwert

Trauma = die Trennung von sich selbst. Enwicklung eines falschen Selbst.

Die tiefste Verletzung, die ein Trauma hinterlässt, ist die Trennung von sich selbst. Das Selbst ist unser gesunder Wesenskern, welcher uns die Kraft und Würde verleiht, einfach nur weil wir da sind - unabhängig davon was wir leisten oder was andere über uns denken. Wenn dieser wahre Wesenskern in der Kindheit nicht durch die Liebe der Eltern "geweckt" wird, entwickeln Kinder eine Identität, die auf Scham oder Stolz beruht (= falsches Selbst), was zahlreiche Folgestörungen nach sich zieht.



Familientrauma und seine Auswirkungen auf Beziehung und Gesellschaft


Im Folgenden findest du einen Auszug an Dynamiken und Traumafolgestörungen (Symptomen), deren Ursache meist in einem traumatisierten Familiensystem liegt, und denen ich öfters in Therapie und Supervision begegne.

  1. Verlust an Selbstwert und fehlende Abgrenzung: Kinder können keinen gesunden Selbstwert aufbauen und keine gesunde ICH-Struktur bilden, die wir u.a. für eine gesunde Abgrenzung brauchen.
  2. Wiederholende Grenzverletzungen: Oft überschreiten traumatisierte Kinder im späteren Leben ihre eigene Grenzen, die von anderen oder erleben erneute Grenzverletzungen durch andere.
  3. Symbiotische Beziehungen und Trennungstrauma: Wenn man seine eigenen Grenzen nicht spürt, geht man auch toxische, symbiotische Beziehungen ein ohne es zu merken, was ein typischen Anzeichen einer frühen Trauamtisierung ist. Die Ursache kann auch vorgeburtlich sein - durch der Verlust eines Zwillings. Das Muster zeigt sich dann oft auf diese Weise, dass man immer wieder Partner sucht, mit dem man die verlorene symbiotisch verschmelzende Beziehung zum Zwilling wiederholt. PLUS: der unausweichlichen Folge, wieder (und noch zusätzl.) ein Trennungstrauma erlebt.
  4. Selbstverleugnung, Selbsterniedrigung, Selbstunterdrückung: Manche Kinder unterdrücken in traumatisierten Familien auch ihre Vitalität und Lebensfreude, weil sie meinen ihre belasteten Eltern damit zu schonen. Dies kann zu tiefer Traurigkeit und Depression des Kindes führen und im späteren Leben zu Handlungsunfähigkeit und schneller Erschöpfung.
  5. Überlebensstrategie: Größenphantasien und Dissoziation. Traumabedingte Selbstentfremdung führt auch zur Illusion, für andere unentbehrlich zu sein. Manche entwickeln daraufhin ein Helfersyndrom, andere gehen auf eine "höhere Ebene" und flüchten in Phantasiewelten oder in den Kopf. Andere spalten wiederum das Trauma ab, was natürlich nicht heißt, dass es weg ist ...- es ist nur "versteckt". Dissoziation kann auch als fehlende Verbindung mit dem wahren Wesenskern beschrieben werden. 
  6. Trauma-Introjekte aus dem Familiensystem: Kinder sind wie kleine "Spürhunde" - sie spüren, wenn was in der Familie nicht stimmt. In traumatisieren Familien übernehmen Kinder daher oft die Traumata ihrer Eltern, naher Angehöriger oder werden zum Symptomträger der Familie.  
  7. Symptomträger der Familie: z.B. Mädchen mit Magersucht, Bulemie sind häufig Symptomträger von Familien, die etwas verdrängen/ verbergen wollen. Depression oder (auto)aggressives Verhalten bei Kindern kann ebenfalls ein Symptom für unterdrückte Spannung in der Familie sein. Die Kleinen ziehen die Aufmerksamkeit auf sich und weisen (unbewusst) auf verborgenes Konfliktpotential hin.
  8. Psychotische Reaktionen in verstrittenen Familien: In extremen Fällen versuchen die Kinder, Jugendliche sogar verstrittene Eltern (oder eine Täter-Opfer-Beziehung aus dem Familiensystem) als Introjekt in ihr System zu nehmen - in der Illusion, sie können dadurch die Eltern versöhnen. Das kann psychotische Reaktionen auslösen. 
  9. Transgenerationale Traumata mit übergreifender „Loyalitäts“-Bindung: In sehr traumatisierten und symbiotischen Systemen ist auch oft eine Generationen übergreifende „Loyalitäts“-Bindung verbreitet. Für den Betroffenen kann sich dann die Befreiung vom Trauma verboten anfühlen, wie Verrat gegenüber der Familie.
  10. Kontaktabbruch oder Parentifizierung (= Rollenumkehr zwischen Eltern und Kindern), was auch transgenerational weitergegeben werden kann und häufig bei Kriegsenkeln vorkommt.
  11. Sündenböcke, Schwarze Schafe: Eine sehr grausame Dynamik in traumatisierten Familien ist, dass ein Familienmitglied zum Sündenbock, schwarzen Schafen gemacht wird. Oft ist es das schwächste Mitglied - ein Kind, auf welches die Schuldgefühle abgeladen werden. Wenn es älter wird und sich ggf. wehrt, wird es ausgegrenzt.
  12. Weitere Symptome von Traumatisierungen sind: Süchte, Essstörungen, Fettleibigkeit, Bipolare Störungen, Depressionen. Störungen der Impulskontrolle, Rage, Hass - mit Folgen wie Kriminalität, Opfer-/Tätermentalität, (Macht)Missbrauch, Suizid.

Die Liste dient dem Erkennen und der Bewusstwerdung...

Anmerkung zu den Symptomen: Wer mehr über die Symptome und Folgewirkungen aufgrund von Kindheitstrauma erfahren will, empfehle ich die ACE-Studie (ACE = Adverse Childhood Experiences). Diese Studie zeigt einen deutlichen Zusammenhang zwischen Kindheitstrauma und der späteren Gesundheit von Betroffenen im Erwachsenenalter auf.  Und hier noch ein gutes Erklärvideo, was bei Stress und Trauma im Nervensystem passiert:: Trauma and the Nervous System: A Polyvagal Perspective


Generationsübergreifendes Trauma


Wir können auch Traumasymptome in uns tragen, die durch ungelöstes Trauma unserer Ahnen im Familienverband gespeichert sind. Diese Symptome haben die Tendenz, sich zu wiederholen bis sie (ab-)gelöst werden.

Seelenkapseln: In sog. Seelenkapseln werden die nicht verarbeiteten Schicksalsschläge der Vorfahren an folgende Generationen weitergegeben, und gehen manchmal erst 2 oder 3 Generationen später plötzlich auf. Wir befinden uns gerade in einer Zeit, in der viele von ihnen ans Licht kommen.



Quo Vadis: Die selbst-entfremdende Wirkung von Traumatisierungen zu erkennen ist wichtig, sowie Möglichkeiten zu finden, sein eigenes Trauma, was auch schon im Mutterleib stattgefunden haben kann, zu überwinden.